1980 - 1989

Gegen das nackte Nichts

 I Der Anfang

1985 begann die Renaissance der gemalten Wände und der neuen Maltechniken mit einem Paukenschlag: anlässlich einer großen Farbfachmesse in Münster demonstrierte Johannes Klinger  eine
10 m × 2,5 m große Illusionsmalerei live vor Publikum. In der Blütezeit
der Raufasertapete und der weißen Anstriche wurden die plastisch
gemalten Wände zur Sensation. Das Video dieser Aufsehen erregenden
Mal-Aktion wurde bereits am ersten Messetag über tausend Mal verkauft.


Klaus Halmburger, Chefredakteur DIE MAPPE
Callwey Verlag, München 1/07

 II Das grenzenlose Bild

Bereits als Gymnasiast gefiel mir Raum-füllende-Malerei. Ich mochte die Entgrenzung von Bilder, deren Begehbarkeit und Eindringlichkeit.

Vom akademischen Restaurator F.J. Osternieder, sowie von Josef Sieren, dem damaligen Leiter der Residenzwerkstätte in München, wurde ich umfassend in die Techniken klassischer Malerei eingeführt.  Von ihnen erlernte ich den gezielten Auftrag transparenter Malschichten, durch den der Ausdruck der Farben deutlich an Tiefe gewinnen. So entdeckte ich die Kunst des vielschichtigen Farbauftrags als etwas mir Wesensverwandtes und beschloss diese in eigene, zeitgemäße Malerei zu transformieren, sie authentisch weiterzuentwickeln. Ich arbeitete daran, Malerei auf beliebig großen Bildflächen einsetzen zu können. Auf diese Weise  erkundete ich das gesamte Areal alter Maltechniken, die ich nicht vorab als museal verwarf, sondern deren ästhetische Wirkkraft als Inspirationsquelle wertschätzte. Ich experimentierte mit neuen formalen Ideen,  sorgte für einen stilistischen Wandel, eine klare prägnante Form-Sprache, hinzu kam mein Wunsch in konkreten Dialog mit Architektur zu treten, dienten als Schlüssel für eine Tür. Diese führte zu einer neuen Ebene, die aktuell noch niemand betreten hatte, die aber beseelt war, durch ein großes Potential ungeformter Möglichkeiten.

Die Fachmedien nannten sie „Neue Wandmalerei“

In dieser Villa wechselten die Farben nicht, wie gewohnt, von Raum zu Raum, sondern wechselten und verwoben sich fließend, innerhalb der Räume. Dabei erreichten wir eine für Wände seltene Tiefenwirkung.

Architektur: Micha Barsties

 III Atmosphärische Präsenz

Bei inspirierende Raumwahrnehmung ist es nicht die Farbe allein, sondern die farbliche Qualität des Vortrags, ihre atmosphärische Präsenz und ihr originärer Bezug zum Raum. Sie sind es, die das seelische Erleben auslösen und die wie Musik alle Ebenen menschliche Existenz durch dringen können. Ihre verbindende Leitidee ist Lebensfreude.

 IV Richtungsweisend

„Innovationen entstehen nicht in der Komfortzone oder auf vorgeschriebenen Wegen. Sie benötigen Vorstellungskraft und eine mutige und entschlossene Haltung, diese auch dann umzusetzen, wenn noch niemand daran glaubt. So war es auch zu Beginn der achtziger Jahre, als einzig die Farbe Weiß in der Architektur dominierte, als der Künstler Johannes Klinger begann, sich mit farbig bemalten Wände zu beschäftigen. Beinahe vergessene Maltechniken dienten ihm als Grundlage für vielbeachtete neue Wandmaltechniken. Mit richtungsweisenden Architekturprojekten setzte er Impulse für eine neue Malerei in der zeitgemäßen Innenarchitektur. Damit trug er wesentlich dazu bei, dass Wandmalerei als innovatives Ausdrucksmittel in der Innenarchitektur wiederentdeckt und anerkannt wird.“

K.H. Krewinkel, Architekt, Fachbuchautor. in ArtVision No 7, Stuttgart 1990

A&W, Architektur und Wohnen, Titelstory: „ALLE WÄNDE WERDEN BILDER“
Gerhard Mantzing, SZ, Süddeutsche Zeitung, Feuilleton Wohnen, titelte: „GEGEN DAS NACKTE NICHTS“
BIENNALE INTERIEUR Kortrijk, Belgien, 1988
Deutscher Werkkunstpreis, Frankfurt am Main, 1989